„Je weiter man geht, desto mehr liebt man den Weg“ – Interview mit Sabine

 

Ich freue mich, mitteilen zu dürfen, dass ich wieder ein Interview zur E5 Alpenüberquerung geführt habe und dieses nun wieder hier mit euch teilen darf. Alle weiteren Interviews findet ihr im Menüpunkt Erfahrungsberichte.  Ich bedanke mich auf diesem Weg nochmal herzlich bei meiner Interviewpartnerin Sabine!

Wenn du auch Interesse hast, deine Erfahrungen hier zu teilen, melde dich bitte unter info@fernwanderweg-oberstdorf-meran.de.

 

Über dich: Wer bist du? Woher kommst du? Warum hast du dich für die Alpenüberquerung auf dem E5 entschieden?

@Sabine Landzettel

„Hallo, ich heiße Sabine, bin 33 Jahre alt und in Oberbayern aufgewachsen und zuhause. Ich bin mit dem Bergsteigen groß geworden und hatte vor sieben Jahren schon die Idee, den E5 zu gehen, musste damals aber aufgrund einer Verletzung zuhause bleiben. Seitdem habe ich immer wieder daran gedacht und wollte Freunde motivieren mitzugehen, was aber nie wirklich geklappt hat. Also habe ich am Ende beschlossen, unabhängig von anderen loszulaufen.“

 

Allgemeines zu deiner Alpenüberquerung: Wie hast du dich vorbereitet? Wann und mit wem bist du gestartet? Welche Route und Etappeneinteilung hast du gewählt?

„Ich gehe insgesamt sehr viel in die Berge, mache auch gerne mal Mehrtagestouren und bin daher nicht ins Zweifeln gekommen, dass die Tour konditionell zu anspruchsvoll werden könnte. Ich habe allerdings seit einigen Jahren Knieprobleme und hatte mir offen gehalten, bei schlechtem Wetter oder entsprechenden Schwierigkeiten mit den Knien abzubrechen. Die finale Entscheidung kam mit einem Teilnehmer einer Bergsport-Gruppe bei Facebook, der auf diesem Weg nach Mitstreitern gesucht hatte. Letztlich sind wir relativ spontan zu dritt in Oberstdorf am Bahnhof gestartet und am zweiten Tag gesellte sich ein weiterer Wanderer zu uns, sodass wir zu viert in Meran ankamen.

Wir haben uns bei der Route und Etappeneinteilung in erster Linie an der für uns alle beruflich freien Zeit von 6 Tagen  orientiert und, soweit dies noch machbar war, Schlafplätze vorreserviert. Im Nachhinein gesehen gut war, dass das nur auf zwei Hütten und in Zams geklappt hat. Wir haben uns dementsprechend flexibel auch mal entschieden, einen Wellness-Nachmittag einzulegen statt zur nächsten Hütte zu laufen, was wirklich toll war.“

 

Der Anfang der Wanderung: Wie bist du am Beginn mit den langen Etappen und dem schweren Rucksack zurechtgekommen? Gab es am Anfang schon irgendwelche Schwierigkeiten?

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@Sabine Landzettel

„Unser erster Tag war der wettertechnisch schlechteste. Wir sind im Nieselregen gestartet, da hatte ich schon mal meine Zweifel, ob ich den ganzen Weg gehen würde, wenn es so bleiben würde. Die erste Etappe habe ich als insgesamt kurz empfunden, obwohl wir keinen Meter mit dem Shuttle gefahren sind. Das mag aber daran liegen, dass ich meist längere Touren gehe, wenn ich einen freien Tag habe. Beim Packen des Rucksacks kann ich jedem nur empfehlen, sich an der verfügbaren Packliste zu orientieren – man gewöhnt sich an das Gewicht vom Rucksack, aber gerade weniger „geübten“ Wanderern bereitet das sicherlich schnell Schwierigkeiten. Ich habe einmal den Fehler begangen, den Rucksack so zu packen, dass ich abends eine Scheuerstelle am Rücken hatte – das kann man vermutlich leicht vermeiden, wenn man morgens sorgfältiger und mit mehr Ruhe packt…“

 

Die Hütten und Unterkünfte: Wo hast du genächtigt und wie hast du die Übernachtungsmöglichkeiten wahrgenommen?

„Die erste Übernachtung auf der Kemptener Hütte war die hüttentechnisch komfortabelste, hier hatten wir ein Zimmer. Auf der Memminger Hütte gabs auch ohne Reservierung Plätze im Matratzenlager. Am dritten Tag hatten wir in einer Pension in Zams Zimmer gebucht – der Wäscheservice ist genauso grandios wie die heiße Badewanne nach zwei Regentagen…! Auf der Braunschweiger Hütte gibt es, zugegeben, das beste Essen auf der ganzen Wegstrecke – sogar frischer Salat war im Angebot, das ist schon genial. Am Mittag der vorletzten Etappe haben wir uns entschieden, in einem Hotel im Tal zu bleiben und am nächsten Tag Richtung Martin-Busch-Hütte und Similaun aufzubrechen.  Grundsätzlich besteht der Charme einer Hütte (für mich) in der Einfachheit der Hütte. Auf dem E5 hat man schon wirklich große, komfortable Hütten mit einer reichen Auswahl an Essen (ich bin Veganerin und hatte nirgends Probleme ein leckeres Essen zu bekommen), was natürlich auch der großen Menge an Menschen geschuldet ist, die auf diesem Weg unterwegs sind. Wer also lieber kleine Hütten und wenig Komfort mag, sollte andere Unterkünfte suchen. Ich fand es aber schön, dass man immer wieder die andern Wanderer trifft und dadurch auch ein Gruppengefühl entsteht, auch wenn ich sonst kleine Hütten und weniger Menschen bevorzuge.“

 

Mitglied im Alpenverein: Bist du Mitglied beim DAV? Wenn ja: warum? Wenn nein: warum nicht?

„Ich bin Mitglied beim DAV, weil ich es wichtig finde, dass Wege erhalten bleiben und Menschen sich für den Schutz der Berge einsetzen (Stichwort Alpenplan…). Nachdem ich selbst mich daran aber nicht aktiv beteiligen kann, empfinde ich eine Mitgliedschaft als „Mindestbeitrag“ dafür, dass ich fast jedes freie Wochenende in den Bergen zu finden bin. Praktisch ist natürlich auch, dass man auf den Hütten Vergünstigungen bekommt und eine Versicherung hat. Vom reichen Kursangebot des DAV mal ganz zu schweigen – ich bin der Meinung, dass Menschen, die in die Berge gehen, ein Grundwissen sowie Grundfertigkeiten mitbringen sollten.“

 

Das Wetter: Regen, Schnee oder Nebel können die Wanderung schnell gefährlich und unangenehm machen. Hattest du Glück mit dem Wetter oder gab es eine Situation wo du wegen des Wetters lieber umgekehrt wärst?

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@Sabine Landzettel

„Gerade zu Beginn der Wanderung hatten wir durchgehend Nieselregen und natürlich rutschige Wegverhältnisse. Insgesamt hatten wir aber großes Glück mit dem Wetter, weil es keine Situation gegeben hat, die uns zum Abbrechen bewogen hätte. Wir haben allerdings gehört, dass es eine Woche vor unserer Tour gerade am Pitztaler Jöchel Plattenabgänge geben hatte – hier muss man einfach vernünftig sein und gegebenenfalls abbrechen…“

 

Die allgemeine Stimmung: Wie hast du die anderen Wanderer auf dem Weg wahrgenommen? Waren Hütten, Taxis und der Weg allgemein überfüllt?

„Wir sind an einem Samstag gestartet und hatten dadurch einige Bergschulen mit am Weg. Das ist einerseits nett, weil man Menschen regelmäßig trifft, andererseits ist es auch manchmal unangenehm für alle Beteiligten. Die großen Gruppen gehen relativ langsam, was ja normal ist, aber in einer kleinen Gruppe kann man sein gewohntes Tempo gut einhalten und wird dann je nach Wegverhältnissen hinter einer Gruppe „gehalten“ oder man überholt, was für unsichere Wanderer unangenehm ist und dadurch für die Überholer auch ungut.“

 

Dein Tipp: Was würdest du einem „E5 Neuling“ auf jeden Fall empfehlen?

„Ich würde mir zu jeder Zeit die Freiheit offen lassen, bei ungünstigen Verhältnissen abzubrechen. Gerade wenn man den Weg nicht kennt und unsicher ist, finde ich das wichtig – es ist eine wunderbare Tour, die natürlich mit jeder weiteren Etappe schöner wird. Aber eben nur, wenn man den Weg stressfrei genießen kann! Und sonst… beim Packen wirklich auf das Wesentliche reduzieren. Denkt daran, dass ihr eure Sachen waschen könnt. Nachdem man auch im Hochsommer an Gletschern vorbeikommt, muss man so oder so schon genug Klamotten einpacken – dafür reicht dann aber auch eine doppelte Ausführung locker aus.“

 

Die Motivation: Wie hat sich diese im Laufe der Wanderung entwickelt? Gab es einen Punkt wo du an einen frühzeitigen Abbruch gedacht hast?

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@Sabine Landzettel

„Kurz vor der Kemptener Hütte am ersten Tag habe ich mal daran gedacht, wie es wohl mit dem Wetter weitergeht und ob ich denn weiter gehe, wenn es so kalt und regnerisch bleibt. Aber trotz erneutem Schmuddelwetter am zweiten Tag und nassen, kalten Klamotten war da schon genug Motivation da, einfach weiterzugehen. Nicht zuletzt, damit die Kleidung wieder warm wird. Und je weiter man geht, desto mehr liebt man den Weg und kommt in die Ruhe des Wanderns, sodass man gar nicht aufhören will am Ende.“

 

Schwierige Passagen: Gab es eine besonders schwierige Passage für dich? Wenn ja: Wie hast du diese gemeistert?

„Nein“

 

Rückblickend: Wie hat dir die Alpenüberquerung allgemein gefallen? Was würdest du beim nächsten Mal anders machen? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben? Wie hat sich dieser etwas andere Urlaub auf dich ausgewirkt?

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@Sabine Landzettel

„Die Alpenüberquerung war technisch weitaus einfacher als ich gedacht hatte, was mit Sicherheit auch an den insgesamt guten Wetterverhältnissen lag. Beim nächsten Mal würde ich die technisch anspruchsvolleren Varianten wählen und zum Beispiel über den Kaunergrat gehen, auch, weil diese Wege weniger frequentiert sind. In Erinnerung bleibt mir mit Sicherheit der unglaublich ergreifende Moment am Similaun, der Blick zum Stausee, das Wissen, dass man den Weg hinter sich gebracht hat und die Wehmut, weil sich die Tour dem Ende neigt. Es ist deutlich anders vom Gefühl, eine normale Mehrtagestour zu machen – im Regen in Oberstdorf loslaufen und am Ende bei 36 Grad und Sonnenschein in Meran Palmen zu sehen ist einfach absolut genial. Was mir auch bleibt ist die Erinnerung an eine geniale Gruppe von Leuten, die sich zum Wandern getroffen hat und nach einer Woche gemeinsamen Weges den Plan hat, sich danach nicht aus den Augen zu verlieren – sondern die nächste Route zu planen. Und bisher schaffen wir das ganz gut.“

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