Auf dem Timmelsjoch

Alpenüberquerung auf dem E5 – Interview mit Jürgen aus Alzey

 

Vor wenigen Tagen gab es wieder eine freudige Überraschung in meinem E-Mail-Postfach. Jürgen fragte an, ob er nicht auch seine Tipps und Tricks zur Alpenüberquerung weitergeben dürfte. Ob er tatsächlich „dürfte“ verwendete, weiß ich nicht mehr so genau. Eines ist aber klar, jeder(!) ist natürlich herzlich Willkommen, anderen Wanderern mit seinen oder ihren gemachten Erfahrungen bei der Planung weiter zu helfen. Falls auch ihr mitmachen wollt, schaut in meinen Beitrag: „Erzähle die Geschichte deiner Alpenüberquerung„. Ganz riesig freue ich mich Jürgens Antworten Interview mit vielen Einblicken zur Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Bozen! Alle Interview findet ihr übrigens in der Interviewserie. Falls ihr weitere Fragen habt, postet sie einfach

 

unten in den Kommentaren und ich leite sie an Jürgen weiter.

Wir starten wie immer mit einem kurzen Intro: Was muss man über dich wissen?

Ich bin Jürgen, 26 Jahre alt, Lehramtsantwärter für Grundschulen und wohne momentan in Alzey (in der Nähe von Mainz, Rheinland-Pfalz). Regelmäßige Wandertouren in den Alpen, gehören schon seit dem Grundschulater zu meinem Leben dazu, früher mit der Familie, und heute mit Freunden. Nach einer Alpenüberquerung mit dem Mountainbike im Jahr 2010, schlummerte die Idee die Alpen auch zu Fuß und auf einer anderen Route zu überqueren länger in mir.

Nach Beendigung meines Lehramtsstudiums 2014, war der zeitliche Rahmen ausreichend gegeben, um die Idee zu realisieren. Relativ schnell wurde mir klar, dass ich diese Erfahrung gerne alleine machen würde, um mich selbst besser kennen zu lernen und allein auf mich gestellt zu sein. Ebenfalls stand für mich sofort klar, Alpenüberquerung zu Fuß, heißt auch zu Fuß, also ohne Taxi, Bus oder Seilbahn – Ich möchte alles laufen! Dies gepaart mit der teilweise überlaufenen und relativ kurzen Oberstdorf-Meran Route führte zu dem Entschluss die Oberstdorf-Bozen Tour zu wandern.

Bist du Mitglied im Deutschen Alpenverein? Hältst du das für die Alpenüberquerung für sinnvoll?

Blick auf den Pitztaler GletscherIch bin seit einigen Jahren im Alpenverein Mitglied. Günstigere Übernachtungen und Bergsteigeressen sind hierbei ein netter Nebeneffekt. Wegpflege und der Einsatz für die Alpen, sowie der Versicherungsschutz stehen hier klar im Vordergrund. Deshalb sehe ich es als sehr sinnvoll an Mitglied zu werden, wenn man öfter in den Alpen unterwegs ist oder sich auf eine Alpenüberquerung begeben möchte.

Du hattest dich für die Route bis Bozen entschieden. Hast du dafür auch eine andere Planung gewählt, oder bist du ebenfalls morgens nach Oberstdorf angereist?

Ich war vor meiner Alpenüberquerung mit Freunden auf dem Heilbronner-Höhenweg vier Tage lang unterwegs, hierfür sind wir zusammen mit dem Auto angereist. Diese sind die Heimreise dann ohne mich angetreten, sodass ich am nächsten Tag direkt weiter auf meine Alpenüberquerung durchstarten konnte. Ich habe eine Nacht auf dem Campingplatz in Oberstdorf übernachtet und bin morgens die Tour gestartet.

Wie bist du von Bozen zurückgereist?

Die Rückreise habe ich mit der Bahn von Bozen begonnen. Zunächst mit dem Zug nach München und von dort aus weiter mit dem Fernbus nach Mannheim. Die Rückreise, war zwar, bedingt durch einen neunstündigen nächtlichen Aufenthalt am Münchener HBF sehr lang aber die 17 Stunden Heimfahrt, war die preisgünstigste Variante.

Erzähl uns bitte ein wenig über die Etappen die du gewandert bist.

Biwak auf der RiffelspitzeIch war mit einem Einmannzelt unterwegs und deshalb sehr unabhängig von meinen Übernachtungspunkten. Ursprünglich hatte ich die Tour in 12 Etappen geplant, war jedoch letztendlich, bei täglichen Gehzeiten zwischen sechs und elf Stunden einen Tag schneller am Ziel.

Übernachtet habe ich vier Mal indoor (Memminger Hütte, Braunschweiger Hütte, Gasthof Brückenwirt in Zwieselstein, Meraner Hütte) und fünf Mal outdoor in meinem Zelt.

Meine Route führte mich beginnend in Oberstdorf vorbei an der Kemptner Hütte bis kurz vor Holzgau. Weiter ging es zur Memminger Hütte und am darauffolgenden Tag hinab nach Zams auf den Krahberg. Vom Biwak beim Aufstieg zum Krahberg führte der Weg weiter Richtung Wenns. Nach einem Nachtlager oberhalb von Wenns, führte die Talstraße mich 1,5 Tage durch das Pitzal mit dem Ziel der Braunschweiger Hütte. Letzte Übernachtung in Österreich war in Zwieselstein, bevor es über das Timmelsjoch nach Italien ging. Nach einem Biwak oberhalb von St. Leonhard im Parseiertal und einem weiteren Biwak auf dem Gipfel der Riffelspitze, kam ich zur Meraner Hütte. Dies war die einzige Hütte, welche ausgebucht war und ich mit dem Notlager vorlieb nehmen musste. Was aber nach einem kompletten Regen- und Schneetag eine reine Wohltat war. Der letzte Tag führte mich dann von der Meraner Hütte bis nach Bozen.

Die klassische Oberstdorf-Bozen Tour, beinhaltet 12 Etappen wovon Teile mit dem Taxi, dem Bus, oder der Bergbahn gefahren werden. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, jeden Meter selbst zu laufen, was ich auch keine Sekunde bereue.

Welchen Eindruck hattest du von den Hütten auf dem E5?

Aufstieg zum TimmelsjochIch habe die Alpen vom 23.06 – 03.07.2014 überquert, und somit einen relativ frühen Zeitraum gewählt. Deshalb waren noch nicht so viele Bergschulen unterwegs (welche meist sowieso die Route bis nach Meran wählen). Deshalb war es auf den Hütten nicht zu überfüllt. Die Atmosphäre auf den Hütten, auf denen ich übernachtet habe, empfand ich als sehr familiär und freundlich. Trotz, dass ich eher ein Fan von kleinen Hütten bin, hat mir die Braunschweiger Hütte sehr gefallen, die Atmosphäre war toll und den angrenzenden Pitztaler Gletscher empfand ich als sehr faszinierend.

Wie würdest du die Stimmung unter den Wanderern insgesamt beschreiben?

Die Stimmung unter den Wanderern war durchweg super. Gerade da ich alleine unterwegs war, kam ich mit vielen unterschiedlichen Sportlern auf den Hütten ins Gespräch. Bedingt durch meine Outdoorübernachtungen hatte ich einen anderen Etappenrhythmus, weshalb ich lediglich eine Person zweimal getroffen habe. Mit ihm bin ich am vorletzten Tag zur Meraner Hütte zusammen gelaufen. Nachts gab es etwa 15 cm Neuschnee und die Sicht war tagsüber, bedingt durch Nebel, Schneefall und Regen sehr schlecht, da war es gut, zu zweit unterwegs zu sein, um den Weg zu finden.

Bis Bozen dürfte dein Rucksackinhalt recht umfangreich gewesen sein. Bist du den etwas schweren Rucksack bereits gewohnt gewesen oder hat es ein paar Kilometer gebraucht, bis du dich daran gewöhnt hattest?

Ich habe mir vorher genauestens überlegt, was ich mitnehmen muss und was ich an Kleidung und Material zuhause lassen kann. Dadurch, dass ich mit Zelt, Kocher, Isomatte, dickem Schlafsack unterwegs war, was ja bei einer klassischen Alpenüberquerung wegfällt, brachte mein Rucksack bei vollen Trinkflaschen und frisch eingekauftem Essen etwa 17 Kilo auf die Waage. Das ist relativ schwer, jedoch hatte ich mich ziemlich schnell daran gewöhnt. Andere Wanderer waren allerdings oft erstaunt über das Tragen des hohen Gewichtes.

Kamen unterwegs auch einmal Zweifel auf und der Gedanke früher abzubrechen?

Unterwegs und auch im Nachhinein, gab es keine Sekunde in der ich mein Vorhaben bereute oder daran dachte abzubrechen. Es war einfach unglaublich schön jeden Tag das Alpenpanorama zu sehen und in der freien Natur zu sein. Das entschädigt für die Anstrengung alle mal!

Gab es eine Stelle, an der dir die Höhe ein etwas mulmiges Gefühl gebracht hat? Z.B. durchs Zammer Loch oder auf dem Weg von der Braunschweiger Hütte über das Pitztaler Jöchl hinauf zum Rettenbach Ferner?

Unterer Seewisee bei Memminger HütteDie Ausgesetztheit stellte für mich kein Problem dar, da ich hierfür genügend Bergerfahrung besitze. Würde ich diese Erfahrung nicht mitbringen, wäre ich auch auf keinen Fall alleine auf Alpenüberquerung gegangen. Jedoch war ich stets konzentriert und bedacht wie ich meine Schritte wähle, da es Tage gab, an denen ich über fünf Stunden niemanden getroffen habe, mich also im Verletzungsfall, erst mal niemand gefunden hätte. Gerade die hohen Punkte mit dem Blick auf die umliegenden Gipfel und Bergkämme empfand ich als sehr schön. Die größte Herausforderung stellte hierbei nicht die Wege dar, sondern eher die langen Gehzeiten über eine so große Anzahl von Tagen. Trotz meines vorherigen Trainings, gab es Tage an denen ich völlig platt in meinen Schlafsack gefallen bin.

Welche Augenblicke werden dir besonders in Erinnerung bleiben?

Gämsen auf der RiffelspitzeIn mein Kopf eingebrannt haben sich drei markante Punkte: Der Pitztaler Gletscher, das Timmelsjoch und das Biwak auf der Riffelspitze. Der Anblick des Pitztaler Gletschers empfand ich als atemberaubend, aber zugleich auch erschreckend, da der Rückgang dessen so stark zu sehen ist und es fraglich erscheint, wie er wohl in 50 Jahren noch erhalten sein wird.

Der Übergang nach Italien über das Timmelsjoch war für mich ein Erlebnis, wie ich es vorher noch nie hatte. Beim Aufstieg starker Schneefall und beim Abstieg nach Italien über 25 Grad Celsius, diese Temperaturspanne auf so geringer Strecke beeindruckte mich.

Ein weiteres Highlight war die Übernachtung auf der Riffelspitze. Mit einem so tollen Alpenpanorama einzuschlafen und morgens aufzuwachen und 20 Gamsböcke stehen einem Spalier und bewegen sich nicht weg, obwohl ich mich nähere – unglaublich!

Was würdest du beim nächsten Mal vielleicht anders machen?

Weder bei meinem Gepäck, bei der Planung oder Durchführung würde ich etwas anders machen. Ich habe nichts vermisst und nichts unnötig mitgeschleppt, sondern meine Alpenüberquerung in vollen Zügen genossen!

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